Zahlen statt Worte: Pünktlichkeitsstatistik Marke Eigenbau

Im vergangenen halben Jahr war ich als Pendler statt Kundenbegleiter auf der Schiene anzutreffen. Dabei habe ich meinen Pendleralltag in Zahlen festgehalten. Meine persönliche Verspätungsstatistik im Detail.

Das vergangene halbe Jahr stand nicht wirklich im Zeichen des Reisens. Die Pandemie hinderte viele daran, in Züge, Busse oder Trams zu steigen. In meinem halben Jahr als Zivildienstleistender war ich aber dennoch täglich auf den Zug angewiesen und unternahm – besonders den Spätsommer hindurch – einige Ausflüge am Wochenende. Über alle genutzten Züge , habe ich Buch geführt. Genauer gesagt, habe ich notiert, wann, wo und wie Verspätungen entstanden.

Was habe ich gemessen?
Erfasst habe ich sämtliche Fahrten mit der Bahn zwischen dem 1. August 2020 und dem 31. Januar 2021. Fahrten mit Bussen, Trams oder Schiffen habe ich nicht mitgezählt. Beim jeweiligen Verlassen eines Zuges wurde die Pünktlichkeit gemessen. Massgebend war der Zeitpunkt der Türfreigabe durch den Lokführer.

Wann galt ein Zug als unpünktlich?
Züge, welche meinen Ziel- oder Umsteigebahnhof mit drei oder mehr Minuten Verspätung erreichten, wurden als unpünktlich gelistet. Eine oder zwei Minuten Verspätung wurden nicht gewertet. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden vorzeitige Ankünfte. Offizielle Pünktlichkeitsstatistiken greifen auf dieselben Messkriterien zurück.

Was geschah mit Ausfällen?
Ausfälle wurden gesondert gelistet. Im gesamten halben Jahr kam es bei meinen Fahrten zu lediglich einem einzigen Ausfall. Dabei handelte es sich um einen Folgefall einer Fahrzeugstörung. Dank einer Alternativroute erreichte ich mein Zielbahnhof aber dennoch zur ursprünglich geplanten Zeit.

Was passierte mit Zügen, welche ich nur dank einer Verspätung erreichte?
Das gab es tatsächlich mehrmals. Ich war (zu)früh am Bahnhof und erwischte dadurch einen anderen Zug, welcher mit Verspätung unterwegs war. Diese Züge wurden nicht registriert. So wurden sie weder als pünktlich, noch unpünktlich gewertet. Voraussetzung war allerdings, dass der ursprünglich geplante Zug pünktlich unterwegs war.

Wann war ein Zug ein Zug und ein Tram ein Tram?
Das ist nicht immer ganz eindeutig. Klingt komisch, ist aber so. Die Waldenburger Bahn (Liestal-Waldenburg) wird im Online-Fahrplan als Tram gelistet. Die Appenzeller-Bahn hingegen als S-Bahn. Ausschlaggebend für die Deklaration war in jedem Fall die Angabe aus dem Online-Fahrplan.

Wann galt ein Anschluss als gebrochen?
Massgebend waren interne SBB-Programme. Diese gaben Auskunft darüber, ob ein Anschluss gewährt oder gebrochen war. Wurde trotz gebrochenem Anschluss ein Zug erreicht, wurde der Anschluss dennoch als gebrochen gewertet. Als Anschlüsse galten auch jene zwischen der Bahn und anderen Verkehrsträgern (Bus, Tram etc.). Nicht aber jene ohne Beteiligung der Bahn.

Welchem Bahnunternehmen wurden internationale Verbindungen zugeordnet?
Sämtliche Bahnfahrten fanden ausschliesslich auf Schweizer Boden statt. Benutzte Züge, welche im Ausland starteten, wurden gesondert gelistet. ICE/EC Züge Deutschland-Schweiz (oder umgekehrt) = SBB/DB, EC Züge Italien-Schweiz (oder umgekehrt) = SBB/Trenitalia, TGV Züge Frankreich-Schweiz (oder umgekehrt) = TGV Lyria

Weitere Fragen? Ich beantworte sie gerne in den Kommentaren!

Schnelle Fakten:

Wie viele Züge habe ich im vergangenen halben Jahr benutzt? Wie viele waren pünktlich, wie viele verspätet? Die schnellen Fakten geben Antwort:

Anzahl benutzter Züge521 Züge
Davon verspätete Züge40 Züge
Somit pünktliche Züge in Prozent92.3%
Anzahl Zugausfälle1 Zugausfall
Anzahl Anschlussbrüche6 Anschlussbrüche
Verspätungsminuten total241 Minuten
Grösste je gemessene Verspätung20 Minuten
Kommentar: Die Auswertung der schnellen Fakten zeigt: Zwar entstanden bei über sieben Prozent der Züge eine Verspätung von drei oder mehr Minuten. Daraus resultierten allerdings nur sechs Anschlussbrüche und maximal 20 Minuten Verspätung.

Wie gross waren die jeweiligen Verspätungen?

Nicht alle Verspätungen sind gleich schlimm. Kleinere Verspätungen sind meist einfacher zu verkraften als grössere. Wie oft kam es zu grossen oder kleinen Verspätungen?

Lesebeispiel: 13mal entstand eine Verspätung von 3 Minuten. Einmal war ein Zug 20 Minuten verspätet.

Züge welcher Bahnunternehmen wurden gemessen?

Während dem vergangenen halben Jahr benutzte ich Züge verschiedener Bahnunternehmen. Welches Unternehmen wurde wie oft in der Statistik aufgeführt?

Lesebeispiel: 82% der gemessenen Züge waren Züge der SBB. 6% entfielen auf andere, verschiedene Bahnunternehmen. SBB = Schweizerische Bundesbahnen, SBB/DB = ICE/EC Züge in Kooperation SBB/Deutsche Bahn, OeBB = Oensingen-Balsthal Bahn, SOB = Schweizerische Südostbahn
BahnunternehmenAnzahl benutzte ZügePünktliche Züge in %
OeBB35100 %
SBB42892,5%
SOB1190,9%
SBB/DB1788,2%
andere3083,3%
andere (Anzahl Züge) = EC-Züge in Kooperation SBB/Trenitalia (7), Transports publics fribourgeois (1), TGV Lyria (5), Berner Oberland Bahn (2), Wengernalpbahn (2), Jungfraubahnen (2), BLS AG (1), Rhätische Bahn (5), Aare-Seeland Mobil (2), Zentralbahn (1), Appenzeller-Bahnen (2)

Pünktlichkeit im Regional- und Fernverkehr

Die Pünktlichkeitsmessung kann auch zwischen Fern- und Regionalverkehr aufgeteilt werden. Rund 65% meiner benutzten Züge entfielen auf den Regionalverkehr. 35% der Fahrten unternahm ich im Fernverkehr.

FernverkehrRegionalverkehr
182 ZügeAnzahl benutzte Züge339 Züge
16 ZügeDavon verspätete Züge24 Züge
91,2%Somit pünktliche Züge in Prozent92,9%
1 AusfallAnzahl Zugausfälle0 Ausfälle
1 AnschussbruchAnzahl Anschlussbrüche5 Anschlussbrüche
101 MinutenVerspätungsminuten total140 Minuten
16 MinutenGrösste je gemessene Verspätung20 Minuten
Erklärung: Als Fernverkehr galten die Zuggattungen TGV, ICE, EC, IC und IR. Als Regionalverkehr galten die Zuggattungen RE, R, und S-Bahnen.

Was waren die Gründe für die Verspätungen?

Die Gründe für Verspätungen können vielfältig sein. Für jede erlittene Verspätung suchte ich nach dem Grund. Die Informationen bezog ich aus offiziellen, internen Programmen der SBB.

GrundAnzahl Fälle
Verspätung eines anderen Zuges19
Technische Störung am Zug6
Technische Störung an der Bahnanlage3
Aufsummierte Verspätung3
Bauarbeiten2
Änderung im Fahrzeugeinsatz2
Zug blockiert Strecke2
Brandalarm1
Gleisschaden1
Personenunfall1
Erklärung: Bei Aufsummierten Verspätungen handelte es sich um Haltezeitüberschreitungen an Bahnhöfen, sowie Fahrzeitverlusten auf der Strecke. Beim Brandalarm handelte es sich um einen Fehlalarm aufgrund eines Rauchers im WC.

Drei Erkenntnisse aus meiner persönlichen Statistik

  • Meist kommt es nur zu kleinen Verspätungen

Meine Zahlen zeigen klar: Die meisten Verspätungen liegen im tiefen einstelligen Minutenbereich. 27 der 40 Verspätungen lagen bei fünf oder weniger Minuten. Ebenfalls tief lag die Zahl der Anschlussbrüche. Zwar war ich auf meiner Pendlerstrecke täglich auf einen Anschluss innerhalb von 5 Minuten angewiesen. Dennoch kam es in diesem halben Jahr nur viermal zu einem Anschlussbruch. Zwei weitere Anschlussbrüche entfielen auf sonstige privaten Reisen.

  • Persönliche Statistik bestätigt die offiziellen Statistiken

Natürlich misst auch die SBB die Pünktlichkeit ihrer Züge. Die Resultate aus den vergangenen drei Jahren decken sich in etwa mit meinen eigenen.

StatistikMesswerte
SBB 2018*93,1%
SBB 2019*92,9%
SBB 2020*95,7%
eigene Statistik**92,5%
* Messwert Statistik SBB = Zugpünktlichkeit national über das angegebene Jahr hinweg
** 92,5% Prozent all meiner benutzten Züge der SBB waren pünktlich. Über alle Bahnunternehmen hinweg lag die Pünktlichkeit bei 92,3%.

Mit meiner eigenen Statistik wollte ich aufzeigen, dass die gefühlte Pünktlichkeit meist in der Nähe der tatsächlichen Pünktlichkeit liegt. Verspätungen bleiben uns aber viel besser in Erinnerung, als wenn wir mit dem Zug pünktlich ankommen. Ein pünktlicher Zug ist für uns alle eben eine Selbstverständlichkeit. Und sind wir ehrlich: Wir schätzen das zu wenig.

  • Meine Zahlen sprechen nicht für alle

Meine Statistik mass nur einen Bruchteil der Schweizer Bahnlandschaft. Auch berücksichtigte sie meist oft die selben Strecken. So führte meine tägliche Pendlerstrecke über mehrere Einspurabschnitte. Störungen wirkten sich entsprechend heftig auf die Pünktlichkeit aus. Es ist daher auch nicht überraschend, dass der Störungsgrund „Verspätung eines anderen Zuges“ die Liste der häufigsten Störungen anführt.

Generell lässt sich aber dennoch sagen: Die meisten Verspätungen in unserem Bahnsystem entstehen aufgrund unseres extrem dichten Netzes. Eine einzige Störung hat so Auswirkungen auf meist dutzende Züge. Ein gut ausgebautes Netz beinhaltet darum nicht nur ein grosses Angebot an Zügen, sondern auch Reserven und Ausweichmöglichkeiten. Genau das ist der Grund, warum ein Bauprojekt wie der Eppenberg-Tunnel so wichtig für den Schweizer Schienenverkehr ist.

5 Tipps für eine pünktliche Reise

1. Früh am Bahnhof erscheinen
Besonders an grossen Bahnhöfen lohnt es sich, rechtzeitig am Bahnhof zu sein. An Knotenbahnhöfen haben Züge meist einen längeren Aufenthalt und du kannst dir im Zug bereits deinen Wunschplatz ergattern. Es kann sogar vorkommen, dass verspätete Züge noch erreicht werden können. So werden Verspätungen plötzlich nützlich.

2. Geografie-Kenntnisse sind von Vorteil
Wer von Verspätungen oder gar Ausfällen betroffen ist, sucht nach Ausweichmöglichkeiten. Die ergeben sich meist durch eine andere Route. Solche Alternativrouten gibt es fast für jede Strecke. Im Vorteil ist, wer diese auswendig weiss. Und falls du mal auf fremden Terrain unterwegs bist, hilft dir bestimmt eine Karte. Eine interaktive öV-Karte für die Schweiz gibt's übrigens hier: Trafimage

3. Online-Fahrplan beobachten
Nicht's ist älter als eine alte Zeitung. Das gilt auch für Fahrpläne. Online-Fahrpläne sind längst in unserem Alltag angekommen. Für eine pünktliche Reise sind sie unverzichtbar. Die Reise sollte damit nicht nur geplant, sondern auch überprüft und beobachtet werden. Speichere deine Reisen frühzeitig in der SBB-App ab und beobachte sie regelmässig. Im Falle von Ausfällen oder Verspätungen gelingt es dir so vielleicht, auf eine frühere Verbindung auszuweichen. Die SBB-App informiert dich übrigens auch mittels Push-Benachrichtigungen über Abweichungen im Fahrplan. Mehr dazu...

4. Vorsicht bei internationalen Zügen
In der Schweiz werden internationale Züge in nationale Taktlagen integriert. Das heisst, dass manche Intercity-Verbindungen durch internationale Züge übernommen werden. Diese sind leider sehr verspätungsanfällig und deutlich weniger zuverlässig. Solche Züge erkennst du an den Zuggattungen EC, ICE, TGV oder auch RJ. Auf den Genuss einer Fahrt in den "schnittigen" Zügen muss nicht verzichtet werden. Es lohnt sich aber jeweils, eine Alternative bereit zu halten und die aktuelle Pünktlichkeit im Online-Fahrplan zu überprüfen.

5. Schnelle Schuhe anziehen
Jeder Bahnhof der Schweiz verfügt über eine minimale Umsteigezeit. Wer beispielsweise am Zürcher HB umsteigt, hat grundsätzlich mindestens sieben Minuten Zeit, bis sein nächster Zug abfährt. Ansonsten wird die Verbindung im Online-Fahrplan gar nicht erst angezeigt. Es kann vorkommen, dass innerhalb dieser Umsteigezeit aber ein anderer, schnellerer Zug erreichbar wäre. Es lohnt sich also, die Abfahrtstabelle des Umsteigebahnhofs zu konsultieren. Ganz unabhängig von minimalen Umsteigezeiten. Mit guten Schuhen, erreichst du auch mal einen knappen Anschluss. Die Abfahrtstabelle deines Umsteigebahnhofs findest du auf der Website der Deutschen Bahn.

Pünktlichkeit ist das Eine: 10 Tipps die deine Reise auch entspannter machen.

Die SBB und Pünktlichkeit

Die SBB bieten auf ihrer Website eine sehr ausführliche und detaillierte Seite zur Pünktlichkeit an. Dabei lassen sich die Züge sogar live tracken. Man hat also einen direkten Blick auf die aktuelle Pünktlichkeitssituation auf den Schweizer Schienen. Reinschauen lohnt sich!

3 Antworten auf “Zahlen statt Worte: Pünktlichkeitsstatistik Marke Eigenbau”

  1. Hallo liebe SBB
    Einfach kurz gesagt ohne wenn und aber!
    Ihr macht einen sehr guten Job es fehlt leider oft an der Wertschätzung und Dankbarkeit der Reisenden.

    Freundliche Grüsse
    Ernesto Zaugg

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